Ein Besuch bei der Dame Berlin

Nachdem ich nun wieder einmal Berlin für eine andere Stadt verlassen hatte, sah ich bei der Rückkehr meine alte Dame wieder ganz klar mit anderen Augen. Obschon ich in der Vergangenheit zum Beispiel Göteborg mit Berlin zu vergleichen versuchte, so ist mir doch diesmal mehr als klar geworden, die Städte lassen sich nicht vergleichen. Auch London, New York und Paris lassen sich einfach nicht mit Berlin vergleichen. Barcelona dagegen schon eher.
Aber halt, die Dame ist doch gar nicht so alt, obschon etwas in die Jahre gekommen, ist sie eigentlich eine recht junge Gestalt auf der Landkarte. Und wenn wir schon am genau hinschauen sind, eigentlich ist dies Mädel keine Dame, war es nie und wird es nie sein, schon gar nicht eine feine. 
Aber das Mädchen ist aus dem Jugendalter heraus und wird so langsam erwachsen und verhält sich eben so, wie viele es in diesem Stadium tun. 
Der Esprit der ersten Jahre ist vorbei, zusammengewürfelt ist die Identität doch eigentlich auch längst nicht am Ende des Weges der eigenen Findung, jedoch ist mein Mädchen gerade dabei zu vergessen, was sie ausmacht(e).
Das Erste was mir auffiel war, das meine alte Heimat doch ein recht dreckiges Plätzchen ist und das viele vergessen, das sie eben eine Stadt aus Dörfern und nicht ein Dorf das zur Stadt geworden, ist. 
Berlin du bist einmal zwei Dörfer gewesen. Berlin du hast deine ganz indivuduelle und besondere Geschichte. Du hast dich aus vielen Teilen erschaffen, bist ein Ganzes geworden und hast dich wieder zerteilet. Du bist keine Stadt wie eine andere. Du bist einmalig und hast das irgendwie gerade auch selbst vergessen.
 
Aber dieser Schmutz, dieser Grauschleier der über der ganzen Stadt zu liegen scheint, er ist alles andere als die feste Zukunft der Stadt.
Was braucht es, um hier wieder mehr Durchblick zu bekommen?
Sicher muss das Mädchen sich vor allem erst einmal wieder daran erinnert, das sich ab und an am eigenem Schopfe packen eine Option ist. Denn bequem ist sie geworden, hat sich an den Schmutz gewöhnt und sieht ihn nicht mehr, ja betriebsblind nennt man das auch.
Nein eine Dame ist sie nicht, aber sie war schon einmal gepflegter. Hat sich mehr um ihr Aussehen und um ihre Gesundheit gekümmert.
Ja Mädchen du hast vergessen, das billig etwas anderes ist als günstig. Du warts günstig, aber immer auch offen und mit Niveau, jetzt aber läufst du Gefahr billig und beliebig zu werden.
Was hast du dir dabei gedacht, z.B. Primarkt und Co an deine besten Plätze zu setzen?! Merkst du nicht wie du damit dein eigenes Niveau herabsenskt?! Wie du dir deine Gesundheit ruinierst.
Nein billig und beliebig geht sehr schlecht zusammen mit einer Zukunft die du haben könntest, denn Geld, Arbeitskraft und Platz ist da. 
Du weisst schon das Qualität ein wichtiger Begriff ist und durchaus Geld kosten darf. Als Preussens Hauptstadt solltest du dich einfach nur erinnern müssen.
Aber dazu musst du dir erst einmal ein paar Flausen aus dem Kopf schmeissen. Wer hat dir nur beigebracht und das auch noch glaubhaft, du seiest eine Weltstadt? 
Berlin du wirst nie eine Weltstadt sein, aber du warst immer eine gute Stadt zum leben, starten, ausprobieren, kreiren und zusammenführen. Wie konntest du das nur verdrängen? 
Drum erinnere Dich, was du eigentlich bist! 
Das Mädchen mit der sympathischen, etwas ruppigen Schnodderschauze, mit Biss und Witz. 
Gerade aber bist du wie ein dummes Teenecher Girl, das Seifenopern schaut, statt sich dem eigenem Leben zu widmen.
Ich mache mir Sorgen was aus dir wird, wenn du dich nicht endlich wieder aufraffst. 
Ich weiss du hast das schon mal gemacht und jetzt ist es wieder höchste Eisenbahn! 
Stelle wieder Anforderungen an die, die bei dir sind, denn wer bei dir sein will muss mit den Konsequsen leben können. Wer Scene vor der Haustür haben will, muss den Lärm ertragen. Wer interessante Läden haben will, der muss dort kaufen und wenn Du meinst du verdienst zu wenig, dann fordere mehr ein, denn Geld ist da. 
Arm, aber sexy ist vorbei und nun geht auch der Wowereit! 
Feiern darfst du, aber räume auf, wie du es früher gemacht hast. Lade ein, aber kontrolliere wer kommt und stutze auch einmal zurecht, ganz wie du es früher getan hast. Sei Flexibel, aber nur wenn es auch kreativ und sinnvoll ist. Denn du bist etwas wert! 
Hör auf darauf zu hören, was andere sagen und mache endlich wieder dein Ding! Lass dir verdammt noch mal nicht einreden, du sollst dich wie eine Landprinzessin verhalten und gleichzeitig Weltstadt sein. 
Du warst immer das Volk, aber immer nur dein Eigenes. Es konnte nie jeder bei dir sein und bleiben. 
Jetzt aber lässt du jeden rein und versuchst für alle da zu sein. Lass das! Damit geht dir deine Seele kaputt. 
Du bist nun einmal alles andere als ein Auffangbecken für Otto Normalverbraucher. Du warst immer für die Aussenseiter da. Halte sie, hole sie, gib ihnen wieder ihren Raum. 
Ja, du hast zu wenig Wohnraum, aber bleib auf deinem Wege und lasse Bäume und Gärten da sein. Lass deine Taschen kreativ füllen, statt mit Spiessern. Spiesser haben genug andere Städte in Deutschland zur Auswahl. Wer ein normales Leben will, kann es woanders finden. Wer Weltstadt haben will, geht nach London und Co. und wer pickfein und sauber leben will, der darf sich aus einen der vielen anderen Städte etwas heraus suchen. 
Aber Berlin, mein Mädchen, sauberer musst du schon sein. Kämme dich und wasche dich öfter, geh aggressiver gegen Schmierereien und wildes Plakatieren vor. Lass den Müll nicht immer den Geistern dieser Stadt und schmeiss die Weltstadtschuhe weg und ziehe wieder deine anständigen, festen aber doch schönen Treter an. Rustikale Schönheit ist sehr wohl Lebens- und Liebenswert. Lass dich wieder frei atmen können und tritt all denen in den Arsch, die meinen dir sagen zu können, wie und was du zu sein hast!

So und nun... sei gesegnet mit ganz viel Licht & Liebe....